Krankenversicherung: Wahltarife und Sonderkündigungsrecht

Mit dem „Gesundheitsfonds“ wird die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab dem 1.1.2009 neu organisiert. Bislang konnte jede Krankenkasse ihren Beitragssatz selbst festlegen. Künftig schreibt die Bundesregierung einen einheitlichen Beitragssatz für die mehr als 200 gesetz­lichen Krankenkassen vor. Ab Januar 2009 zahlen alle gesetzlich Versicherten den gleichen prozentualen Beitrag für ihre Krankenversicherung. Das Geld fließt dann in eine zentrale Geldsammelstelle, den Gesundheitsfonds. Aus diesem Topf bekommen die gesetzlichen Krankenkassen für jeden ihrer Versicherten eine feste einheitliche Pauschale zugewiesen.

Außerdem wurde ein komplizierter Verteilungsschlüssel entwickelt, durch den die Kassen für kranke Versicherte mehr Geld bekommen als für Gesunde. Für 80 Krankheiten gibt es Zuschläge zur Pauschale. Der bisherige Risikostrukturausgleich, der auch schon Alter, Geschlecht und Familiensituation der Versicherten berücksichtigte, wird damit erweitert zum „morbiditätsorientierten Risiko­strukturausgleich“ (kurz Morbi-RSA).

Zusatzbeitrag oder Prämie möglich

Reicht das Geld, das den Kassen über den Gesundheitsfonds zugewiesen wird, nicht aus, kann die Kasse einen Zusatzbeitrag erheben – nur von ihren Mitgliedern, der Arbeitgeber zahlt dabei nicht mit. Eine „Überforderungs­klausel“ begrenzt die finanzielle Belastung: der Zusatzbeitrag darf 1% des beitragspflichtigen Einkommens nicht übersteigen. Allerdings kann die Krankenkasse bis zu 8 € pro Monat ohne Einkommensprüfung einziehen. Dadurch werden insbesondere Versicherte mit einem sehr geringen Einkommen höher belastet. Erzielen die Kassen dagegen einen Überschuss, können sie auch eine Prämie an ihre Versicherten ausschütten. Die Entscheidung über deren Höhe und der Zeit­punkt der Ausschüttung – zum Beispiel monatlich oder jährlich – bleibt allein der Kasse überlassen.

Sonderkündigungsrecht bei Erhebung eines Zusatzbeitrages

Normalerweise ist ein Wechsel der Krankenkasse erst nach einer 18-monatigen Mitgliedschaft zulässig. Erhebt eine Krankenkasse aber erstmals einen Zusatzbeitrag oder erhöht diesen, haben alle ihre Mitglieder ein Sonderkündigungsrecht. Auch wenn die ausgeschüttete Prämie reduziert wird oder wegfällt, ist ein Kassenwechsel möglich – natürlich immer unter Beachtung einer zweimonatigen Kündigungsfrist. Die Kassen müssen ihre Versicherten außerdem künftig spätestens einen Monat vor der Erhebung des Zusatzbeitrages auf ihr Sonderkündigungsrecht schriftlich hinweisen.

Wer sich aber für einen Wahltarif seiner Kasse z.B. mit Selbstbehalt oder Beitragsrück­erstattung entschieden hat, kann das Sonderkündigungsrecht nicht in Anspruch nehmen, denn er bindet sich mit der Wahl dieser Tarife für drei Jahre an seine Kasse.

Folgen des Gesundheitsfonds für Versicherte

Durch die Einführung des einheitlichen Beitragssatzes werden die Kassen mit niedrigen Beitragssätzen zum 1.1.2009 teilweise erheblich teurer, wodurch die monatlichen Belastungen für die Versicherten auf jeden Fall steigen. Diese Beitragssatz­erhöhungen als Folge des Gesundheitsfonds lösen jedoch kein Sonderkündigungsrecht aus, da sie durch eine Gesetzesänderung zustande kommen.

Bei Krankenkassen mit einem derzeit sehr hohen Beitragssatz kann es natürlich auch zum umgekehrten Effekt kommen. Die Auswirkungen auf die einzelnen Kassen lassen sich jedoch erst genau ermitteln, wenn der neue einheitliche Beitragssatz feststeht.

Allerdings gibt es auch noch weitere Gründe dafür, dass die Beiträge steigen werden. Zum Beispiel die neue Gebührenordnung für Ärzte, die auch 2009 in Kraft treten soll; und auch die Krankenhäuser verhandeln über mehr Geld mit den Kassen und dem Gesundheitsministerium und demonstrieren dafür sogar medienwirksam. Diese Kostensteigerungen darf man nicht pauschal dem Gesundheitsfonds in die Schuhe schieben.
Kein Abbau der Leistungen geplant

Am gesetzlich festgelegten Leistungskatalog der Krankenkassen soll sich durch die Einführung des Gesundheitsfonds jedenfalls nichts ändern!

Es wird aber auch in Zukunft erhebliche Unterschiede bei der Beratungs- und Servicequalität – etwa hinsichtlich der Geschäftsstellen vor Ort – und bei den freiwilligen Leistungen der Krankenkassen geben. Bei der Wahl der Krankenkasse sollten diese Punkte, neben der reinen Kostenfrage, unbedingt vorher abgeklärt werden, denn bei einer akuten Erkrankung kann die schnelle Erreichbarkeit eines Ansprechpartners bei der Kasse von größter Bedeutung sein.

Wahltarife

Die gesetzlichen Kassen haben durch die letzte Gesundheitsreform zahl­reiche neue Möglichkeiten erhalten, ihren Versicherten differenzierte Tarifangebote zu unterbreiten. Diese sogenannten Wahl­tarife erlauben z.B. die Einschreibung in Hausarztmodelle oder Beitragsrückvergütungen für die Nichtinanspruchnahme von Leistungen. Es ist zu erwarten, dass diese Angebote im Jahr 2009 noch erheblich ausgeweitet werden, da sich die Kassen dadurch einen Wettbewerbsvorteil versprechen. Bei mehr als 200 Kranken­kassen besteht dann die Gefahr, dass der Überblick für den Einzelnen verloren geht. Die Wahl solcher Angebote sollte deshalb gut überlegt sein und an den individuellen Ansprüchen ausgerichtet werden. Vorsicht ist insbesondere bei den freiwilligen Wahltarifen mit einer dreijährigen Bindung an die Krankenkasse angebracht.

Die Auswirkungen der Neugestaltung der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Gesundheitsfonds können momentan kaum abgeschätzt werden, so dass es für jeden Versicherten von Vorteil ist, sich seine Flexibilität und insbesondere die Option des Kassenwechsels zu erhalten. Wer sich dennoch für die neuen Tarifangebote interessiert, sollte sich in jedem Fall mehrere Angebote einholen und diese genau vergleichen. Empfehlenswert ist daher sicherlich auch eine unabhängige Beratung.
Verbraucherzentrale HH

(Quelle: Verbraucherzentrale HH)