Es riecht nach Vieh und Rauch, man hört das Rauschen eines Wildbaches und das Gurgeln und Glucksen einer Quelle. Im Badehaus, das einer Waschküche gleicht, schlägt einem die feuchtwarme Hitze entgegen.Insgesamt gibt es vierzehn Badetröge, die sich dickleibig nebeneinandergereiht seit 300 Jahren an den Wänden aufreihen, mal zwei, mal drei in einem Raum. Erst bei näherem Hinsehen erkennt man Köpfe, die aus den Trögen ragen und bis zum Kinn mit Holzbrettern zugedeckt sind…
„Gehen’s ruhig eini, dös is gsund“, sagt Hans-Jörg Aschbacher Junior, als er mit einer Eisengabel rotglühende, auf 1000 Grad erhitze Bachsteine in die Wannen wirft, in die wir gleich steigen sollen. Zischend fallen sie in die Badetröge, zerplatzen und zerspringen zischend in kleinere Stücke
und geben so ihre hochwertigen Mineralien (Schwefel und Randon) in das eiskalte Quellewasser ab, das unterirdisch über Holzrinnen seit 300 Jahren in die Wannen fließt.
Nach zehn Minuten fischt Hans-Jörg, stämmiger Sohn der Familie Aschenbacher, die das Karlbad bereits in der achten Generation betreiben, die Steine per Eisengabel wieder heraus. Das Badewasser hat jetzt eine Wohlfühl-Temperatur zwischen 35 und 40 Grad. Um nicht wie ein gesottener Fisch zu enden, schütte ich vorsichtshalber zwei große Eimer kaltes Quellewasser nach, erst dann wage ich mich vorsichtig hinein, ins das erst so trügerische Vergnügen.
„Unnachahmlich!“ schon nach kurzer Zeit überfällt mich eine wohlige Schläfrigkeit und ich staune
über die, die das hier schon „früher“, nämlich 1776 so praktiziert haben. Damals auf Empfehlung Anton von Willburgs aus der Kirchengasse in Gmünd, der rheuma- und gichtgeplagte Bauern, Jäger und Holzfäller zu einer Kur ins Karlbad schickte. Dieser Arzt und Forscher schrieb dem Wassers mit Spuren von Radon, Eisen, Schwefel, Radium eine besondere Heilwirkung zu. Fünfundvierzig Minuten sitzen in naturheißem Wasser, erhitzt mit Bach-Steinen aus dem Karlbach und gespeist von einer radonhaltigen Quelle, die direkt unter dem Haus entspringt. Die Badetröge reinigen sich noch immer über ihre eigene Mikrobiologie selbst. Das Karlbad ist das urigste und das älteste Bauernbad Österreichs und liegt nur wenige Höhenkilometer von Bad Kleinkirchheim entfernt, mitten in dem
Naturschutzgebiet der Nockbergen.
Wenn der Junior in der frühen Morgenstunde zum „Boooodn“ ruft, steht die Zeit still – heute wie damals. Wen wundert’s da noch, dass es hier oben weder Handyempfang noch Strom gibt, dafür aber eine deftige, leckere Hausmannskost nach Kärntner Art, Polenta, Fleisch, Kletzen- oder Kasnudeln (Riesen-Ravioli) oder Reindling (Germteiggebäck) Ritschert ( Rollgerste) , alles hausgemacht natürlich von der jungen Ehefrau.
Meine Badezeit endet in freier Natur, im Karlbach. Das eiskalte Wasser hat lediglich ganze
neun Grad, nichts für meine großstadtverwöhnten Füsse: Ich fühle mich großartig. Karlbad scheint wie ein Symbol für den Sieg der Natur über die touristische Vermarktung des Begriffs Wellness. Ich komme gern wieder.