Innovative Therapie: Tinnitus wieder „verlernen“

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(mko) Die Nervenzellen sollen den Tinnitus wieder verlernen? Was auf den ersten Blick komisch klingt, ist das Ziel einer innovativen Behandlung, der CR-Neuromodulation. Das neue Gerät im Streichholzschachtelformat samt Therapiesystem, das auf Basis akustischer Neuromodulation der krankhaften Überaktivität von Nervenzellen im Hörzentrum entgegenwirkt, wird erstmals auf der diesjährigen Medizinmesse MEDICA in Düsseldorf ( s. Termine) vorgestellt. Ziel ist es: Die Nervenzellen sollen den Tinnitus wieder verlernen und den Patienten den „Krach“ nehmen, der sich in ihrem Ohr abspielt. Denn: „Der Lärm macht mich noch verrückt“, so die Aussage vieler Betroffener.
Aber: Viele Mediziner halten auch die Dauerberieselung durch MP3-Player für gefährlich. Aktuelle Studien aus England belegen heute schon, dass 30 Prozent der 18- bis 24-Jährigen mindestens eine Stunde täglich Musik über Kopfhörer hören, mit bis zu 105 Dezibel. Bei über 85 Dezibel können jedoch die feinen Sinneszellen der Ohrorgane zerstört werden und so das Risiko für Tinnitus und Schwerhörigkeit steigern.
Die akustische „CR-Neurotechnologie“ basiert auf jahrelanger wissenschaftlicher Forschung am Forschungszentrum Jülich und wird seit mehr als anderthalb Jahren in der medizinischen Praxis angewendet. Tinnitus tritt als Folge einer Störung der Signalübertagung vom Ohr zum Hörzentrum auf und kann u. a. durch eine Hörminderung, Infektion oder Medikamente ausgelöst werden. Die gestörte Signalübertragung bringt die Balance der Filtersysteme der Hörbahn aus dem Gleichgewicht. Und dies führt letztlich zu einer krankhaften Überaktivität und Synchronisation der Nervenzellen im Hörzentrum. Vereinfacht könnte man auch sagen, wenn das Ohr den Nervenzellen im Hörzentrum wenig oder gar keinen „Gesprächsstoff“ in Form von Signalen liefert – wie z. B. bei einer Hörminderung – beginnen die Nervenzellen, sich mit sich selbst zu unterhalten. Und das kann dann als Tinnituston wahrgenommen werden.
Die „Akustische CR Neuromodulation“ konzentriert sich auf die Nervenzellen, die den Tinnituston verlernen sollen, d. h. die krankhafte synchrone Überaktivität der Nervenzellen im Hörzentrum wird gezielt durch die Therapiesignale gestört und zurückgeführt. Dabei werden speziell getaktete Tonfolgen (CR-Signale) an die betroffenen Nervenzellverbände abgegeben; sie stören die krankhafte Synchronität und bewirken eine Desynchronisation. Da das Gehirn lernfähig ist und sich flexibel an Veränderungen anpasst. Das stetige Wiederholen der Desynchronisation löst quasi einen Lernvorgang aus. Die Folge: Im Therapieverlauf kann sich der Tinnituston verändern, er wird leiser oder verschwindet ganz. Meist dauert solch eine Behandlung zwölf Wochen. Die CR-Neuromodulation wird auch im Zusammenhang mit übermäßiger synchroner Nervenzellaktvität im Gehirn, wie z.B. bei Parkinson oder auch Depressionen erforscht.

TherapieanbieterForschungszentrum Jülich