Dunkle Tage: Warum Sonnenlicht MS-Patienten gut tut

(mko) Dunkle, verhangene Wintertage machen oft  müde und drücken auf die Stimmung –  uns fehlt das Sonnenlicht. Das belastet auch unser Immunsystem. Besonders anfällig für mangelndes Sonnenlicht sind Patienten, die an  Multipler Sklerose (MS) erkrankt sind. Das haben Wissenschaftler der Deutschen Gesellschaft für Neurologie anhand der bislang größten internationalen Studie errechnet. Je weiter weg vom Äquator die MS-Patienten wohnen, desto schlechter: Jeder Breitengrad weiter entfernt verstärkt die Krankheit durch den Lichtmangel im Winter.  „Die Studie belegt mit ihrer umfangreichen und globalen Datenbasis eindrücklich den Zusammenhang zwischen Sonneneinstrahlung und den Krankheitsschüben bei Multipler Sklerose: Je höher die natürliche UV-Strahlung, desto geringer die Wahrscheinlichkeit der Schübe“, kommentiert Professor Heinz Wiendl von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Direktor der Klinik für Allgemeine Neurologie in Münster und Vize-Vorstand des Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS).

Multiple Sklerose ist die häufigste chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (ZNS). Weltweit sind etwa 2 Millionen Menschen daran erkrankt. Bei der schubförmigen Form erleiden Patienten Phasen, in denen die Krankheit plötzlich schneller fortschreitet. Ein Ziel der Therapie ist es daher, die Schübe zu verhindern. Die Häufigkeit von Schüben ist aber nicht überall auf dem Globus gleich: Denn mehr Sonnenlicht bewirkt, dass in der Haut mehr Vitamin D gebildet wird. Dem Vitamin wird eine positive Wirkung bei Autoimmunerkrankungen wie MS oder Schuppenflechte zugeschrieben. Zudem treten im Frühjahr – nach dem langen Lichtentzug im Winter – MS-Schübe häufiger auf.
Bei der Schuppenflechte (Psoriasis) hat sich die Lichttherapie bereits etabliert. Noch weiß man nicht, ob UV-Licht therapeutisch auch bei Multipler Sklerose wirkt. Aber es werden derzeit mehrere Studien mit Vitamin D als Wirkstoff durchgeführt. „Die Wirkung des Lichts auf das Immunsystem geht aber deutlich über das hinaus, was wir mit einer erhöhten Vitamin-D-Produktion erklären können“, so Professor Heinz Wiendl.

UV-Licht beruhigt das Immunsystem

Wiendl und sein Team erforschen den Zusammenhang zwischen Licht und Multipler Sklerose am Universitätsklinikum in Münster und veröffentlichten dieses Jahr bereits eine wichtige Studie: Sie fanden im Blut von Patienten, die zuvor mit UV-B-Licht bestrahlt wurden, schon einen Tag später vermehrt bestimmte Zelltypen, die regulatorische T-Zellen und dendritische Zellen genannt werden. Diese Zelltypen halten das Immunsystem davon ab, sich selbst anzugreifen – verhindern also Autoimmunreaktionen. Die UV-B-Strahlung löst die Bildung von regulatorischen Zellen aus, die über das Blut bis zum Nervensystem wandern und dort ihre schützende Wirkung entfalten. Allerdings hält diese nur kurz: Wurde die Bestrahlung auch nur für wenige Tage unterbrochen, verschlechterten sich Blutwerte und Immunsystem wieder.

Jeder Breitengrad weiter Richtung Äquator verzögert einen MS-Schub um drei Tage

Die Ergebnisse aus Münster, die in Projekten des KKNMS und der DFG entstanden sind, wurden kürzlich in Annals of Neurology veröffentlicht, demselben Fachmagazin wie die aktuelle internationale Arbeit vom Oktober 2014 um den Australier Dr. Tim Spelman vom Department of Neurology am Royal Melbourne Hospital. Die Forscher nutzten die MSBase Registry – eine internationale Online-Datenbank mit einem Datenpool von mehr als 32.000 MS-Patienten. Sie werteten 32.762 MS-Schübe von fast 10.000 Patienten in 55 klinischen MS-Behandlungszentren aus 30 Ländern aus. Dabei zeigten sie, dass die Schübe einem wiederkehrenden Muster folgen: Sie treten besonders häufig zu Beginn des meteorologischen Frühjahrs, also nach der geringen UV-Strahlung im Winter, und besonders selten im Herbst auf – und zwar genauso bei Patienten in der nördlichen wie auch südlichen Hemisphäre. Dabei lag zwischen dem UV-Strahlungstief im Winter und dem Auftreten der Schübe im Frühjahr im Schnitt ein Zeitraum von knapp drei Monaten. Dieser Zeitraum verkürzte sich, je weiter die Menschen vom Äquator entfernt lebten, im Durchschnitt um 2,9 Tage pro Breitengrad. Die Autoren vermuten, dass Menschen mit einem niedrigeren Vitamin-D-Level nach dem Winter früher einen Vitamin-D-Mangel erleiden, der die Wahrscheinlichkeit von Schüben erhöhen könnte.

 http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de

Deutsche Gesellschaft für Neurologie